Singende Füße – das dynamische Fundament des Singens

LESEPROBE AUS DEM BUCH:
Wenn wir stehen, sind die Füße unser Fundament. Anders als bei einem Haus, das stabile Mauern und einen unverrückbaren Untergrund braucht, sind für unseren Körper flexible, anpassungsfähige Füße optimal. Aus den Muskeln der Fußgewölbe baut sich die Spannkraft unseres Aufgerichtet-Seins von unten nach oben auf. Ein dynamisches Fußgewölbe – mit dynamisch ist gemeint, dass sich Muskeln und Faszien sowohl anspannen als auch wieder entspannen können – ist die Basis für einen entspannten Beckenboden. Auch der sollte sich bei jeder Bewegung anspannen und wieder entspannen, abgestimmt auf die Krafterfordernisse der jeweiligen Bewegungssituation.

Von unten nach oben setzen sich Kraft und Beweglichkeit fort. Als nächste Struktur folgt unser Zwerchfell, das den größten und wichtigsten Atemmuskel darstellt. Dann der Schultergürtel, der Nacken und unser Kehlkopf. Singen und Sprechen geschehen mit Muskelkraft und brauchen Muskelkraft. Die Stimme bekommt ihren Wohlklang aber durch das gleichzeitige Entspannen-Können. Da schwingen die Stimmbänder und schenken den Zuhörerinnen und Zuhörern eine wohlige Gänsehaut oder ein Gefühl, das das Herz erwärmt.

Ob du’s glaubst oder nicht, die Füße singen mit! Und mir persönlich ist das Singen in einem bewegten, schwingenden Stehen am allerliebsten.

 

* Boden-Erfahrung „Singende Füße“

Singende Füße sind Füße, die nicht in Schuhen stecken. Sei barfuß oder in Socken und suche dir einen Untergrund, der sich gerade gut anfühlt. Es kann ein weicher Teppich sein oder der nackte Boden, gerne auch eine Wiese oder ein Platz im Wald. Das ist der erste Schritt: dass du auf deinen Fußsohlen nicht nur stehst, sondern mit dem Tastsinn an deinen Füßen den Boden unter dir wahrnimmst.

Dein Gewicht wandert einmal mehr auf den einen Fuß, dann auf den anderen. Du bewegst die Zehen, um den Boden noch besser zu ertasten. Probier einmal aus, wie es ist, wenn du deine Sprunggelenke leicht beugst. Leicht, du musst jetzt keine tiefe Kniebeuge machen – es genügt schon, wenn du die Spannung im Sprunggelenk ein wenig wegnimmst. Was fällt dir auf? Vermutlich werden dir die Knie weicher. Das darf sein. Und wenn du beobachtest, was deine Atmung macht … Verändert sie sich?

Dein Gewicht wiegt weiter von links nach rechts und zurück. Wir singen jetzt einen ersten Ton! Egal, welche Tonhöhe, egal, wie der Ton klingt – singe: „Aaaaahhhh“.

Dann drücke abwechselnd eine Fußsohle fest in den Boden, so, als wäre er aus weichem Lehm und du würdest ihn mit den Füßen kneten. Diese Knetkraft setzt sich von den Füßen durch den ganzen Körper nach oben fort. Erlaube deinem Becken und deiner Wirbelsäule, dass sie mitschwingen. Wie hört und fühlt sich der Ton an, den du singst?

Denke auch beim Singen von Liedern immer wieder mal daran, vor allem wenn sich deine Kehle eng anfühlt oder die Stimme sich dünn und schwach anhört: Gib in den Sprunggelenken nach, baue in deinen Fußsohlen Knetkraft auf und bleib in Bewegung! Das weckt die Aktivität in der Rumpfmuskulatur, die dein Singen unterstützt.

 

Noch ein Tipp: Wenn sich deine Füße sehr steif, gefühllos oder müde anfühlen, dann nimm dir einen Tennisball zu Hilfe, lege ihn auf den Boden, setze abwechselnd den linken und rechten Fuß drauf und lehne dich mit deinem Gewicht in den Ball hinein. Vom Ballen bis zur Ferse kannst du so deiner ganzen Fußsohle eine Massage schenken. Danach wird dein Kontakt zum Boden viel intensiver sein.

 

(aus: „Von Herzen Singen – Mit Stimm-Erfahrung und heilsamen Liedern Verbundenheit erleben“ Copyright Ingrid Huber, Graz 2021)